Für Heidi Enslin ist Theater mehr als Unterhaltung


Frankfurter Rundschau - 18. Oktober 2004
"Die Regisseurin und Schauspielerin der Theatergruppe Friedrichsdorf feiert heute ihren 60. Geburtstag / Das neueste Projekt: „Kunst“ von Yasmina Reza"

VON GÜNTHER SCHERF

Friedrichsdorf · 17. Oktober · Sie verkörpert Temperament und Fröhlichkeit und ist in ihrem Inneren doch ein kritischer, zweifelnder Mensch. Wenn sie ihr Hobby pflegt, ist knallharte Arbeit angesagt. Heidi Enslin ist Regisseurin und Schauspielerin bei der Theatergruppe Friedrichsdorf, und am heutigen Montag wird sie 60 Jahre alt.

Die interessantesten Dinge stehen manchmal im klein gedruckten Nebensatz: „Die Zusammenarbeit mit Heidi bedeutet volle Konzentration“, schreibt das Amateurensemble in der Internet-Vorschau auf seine nächste Aufführung.

Das Stück heißt „Kunst“, ist von Yasmina Reza und soll am 13. November im Bürgerhaus von Neu-Anspach erstmals zu sehen sein. Regie führt Heidi Enslin – und das bedeutet für alle Beteiligten noch vier Wochen harte Arbeit. Denn die Jubilarin setzt Maßstäbe.

Seit Jahrzehnten bescheinigen Kritiker dem fast 50 Jahre alten Amateurensemble immer wieder professionelles Niveau. Und Heidi Enslin hat daran einen erheblichen Anteil. Seit 1963 gehört sie der Theatergruppe an; seit 1971 macht auch ihr Mann Heiner mit, den sie 1969 geheiratet hat und mit dem sie heute in Bad Homburg lebt. Zwei Jahre führte sie den Vorsitz des Vereins „Theatergruppe“. Auf der Bühne war sie unter anderem als Sabina in Thornton Wilders „Wir sind noch einmal davon gekommen“, als Mrs. Webb in „Unsere kleine Stadt“ vom gleichen Autor und als Cecily in Oscar Wildes „Bunbury“ zu sehen. Im Gegensatz zu vielen anderen Amateurbühnen hat sich die Theatergruppe Friedrichsdorf nie dem flachen Lustspiel verschrieben.

Den Stellenwert des zeitgenössischen und politisch-engagierten linken Theaters verteidigt vorrangig Heidi Enslin. Nicht im Sinne von Agitation, sondern stets mit literarisch-nachdenklichem Anspruch.

„Was die Regie betrifft“, heißt in der Internet-Präsentation des Ensembles, „liegt ihr Schwerpunkt zum einen auf sozialkritischen und politisch motivierten Stücken, aber es gibt auch herrliche Ausflüge in die Welt der Klassiker, die sie mit viel Gefühl umsetzt“. Etwa Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ oder„Was ihr wollt“.

Mit der Auswahl und Regiearbeit von „Top Dogs“ hatte Heidi Enslin vor zwei Jahren eine neue Richtung eingeschlagen, erinnern sich ihre Mitstreiter: „Weder Lustspiel noch historische Komödie oder Tragödie, auch kein Boulevardstück. Statt dessen eine Psycho-Tragikkomödie mit absolut aktuellem Bezug. Collagenhaft wird dargestellt, wie unterschiedliche Charaktere, allesamt arbeitslos gewordene Topmanager, mit einer Ausnahmesituation umgehen. Für das Ensemble bedeutete die Inszenierung eine harte Probenzeit, die aber zu einem unserer größten Erfolge der letzten Jahre führte.“

Die Regisseurin Heidi Enslin weiß um die Strenge ihre Anforderungen: „Es ist immer wieder faszinierend“, erzählte sie 1997 der FR bei der Probe für ein Stück, in dem sie Schauspielerin und Helga Ostermeyer für die Inszenierung verantwortlich war. Heidi Enslin: „Da kommen die Akteure nach einem oft harten Arbeitstag abgeschlafft abends zur Probe, hängen erst müde herum und agieren nach einer halben Stunde auf der Bühne, als seien sie topfit. Das Theaterspielen baut eben auf und belebt.“

Heidi Enslin wurde an der Jahnheide in Friedrichsdorf (heute „Am Rehlingsbach“) vor 60 Jahren geboren. In der Hugenottenstadt besuchte sie die Mittelschule, in Bad Homburg absolvierte sie eine Lehre als Fachverkäuferin. Danach arbeitete sie in einem Reformhaus in Frankfurt. 1969 heiratete sie den Arzt Heiner Enslin, der bei der Theatergruppe im Hintergrund mitwirkt, vor allem als Bühnenhandwerker. Die beiden haben zwei Töchter.